Projekat Rastko - Luzica / Project Rastko - Lusatia  

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M. Walde

Katholische sorbische Lausitz

Als Folge der Reformation im 16. Jahrhundert änderten sich die konfessionellen Verhältnisse in der Lausitz grundlegend. Dank des Bautzner Domdekans Johann Leisentritt (1527 – 1585) blieben die Dörfer in der Umgebung des Bautzener Domkapitels und des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau katholisch, wo sie heute in den sorbischsprachigen Pfarreien Crostwitz, Nebelschütz, Ostro, Ralbitz, Storcha, Sdier und Wittichenau zahlenmäßig dominieren.

Als 1635 die Lausitz an Sachsen fiel, drohte der katholischen Kirche und damit der sorbischen katholischen Bevölkerung erneut Gefahr. Doch die Wettiner, die sächsische Herrscherfamilie, garantierten in einem Traditionsrezess den Fortbestand der katholischen Stifter und Klöster.

In der Barockzeit entfaltete sich ein reges katholisches Leben. Die Sorben standen im geistigen Kontakt mit Böhmen und Österreich. In Prag diente sogar ein eigenes Seminar der Priesterausbildung.

Erste eigenständige Konferenzen sorbischer katholischer Geistlicher sind seit den Revolutionsjahren 1848/49 bekannt. Bereits 1862 wurde der Cyrill-Methodius-Verein (TCM) gegründet mit dem Ziel, den Sorben ihre Sprache und Nationalität zu bewahren, welche den christlichen Glauben und die Volksfrömmigkeit am besten garantieren sollten. Der Verein bemühte sich vor allem um die Herausgabe sorbischen katholischen Schrifttums, auch der Zeitschrift Katolski Poso³.

Die Erneuerung des Bistums Meißen 1921 war für die katholischen Sorben nicht vorteilhaft. Der deutschnationale Bischof Christian Schreiber beschnitt die Rechte der sorbischen Katholiken. 1922 löste er das für die Ausbildung sorbischer katholischer Geistlicher so wichtige Wendische Seminar in Prag auf. 1939 verboten die Nationalsozialisten die sorbische katholische Priesterkonferenz und das Erscheinen des Katolski Poso³.

Erst 1950 wurde die „Arbeitsgemeinschaft katholischer sorbischer Priester" vom Episkopat anerkannt. Theologen und kompetente Laien sorgten sich wieder um die Herausgabe sorbischen katholischen Schrifttums. Die Zeitschrift Katolski Poso³ erschien nun wieder zweiwöchentlich.

1985 wurde die Sorbische Pastoralvereinigung als TCM (Towarstwo Cyrila a Metoda) neugegründet. Die Priesterkonferenz ist seitdem eine Sektion des Vereins. Weitere Sektionen des TCM – Wissen und Tat, Sorbische sakrale Musik, Die Lausitz hilft und Medien – initiieren als thematische Arbeitsgruppen eigenständig verschiedenste Projekte. Die Sektion Medien gibt zum Beispiel die Zeitschrift Katolski Poso³ heraus, ist verantwortlich für religiöse Sendungen im Sorbischen Rundfunk und arbeitet an verschiedenen Schrifttumsprojekten.

Ökumenische Kontakte zu evangelischen Brüdern bestehen zwar, aber zur sprachlichen Gemeinsamkeit (beispielsweise im sorbischen Vaterunser) ist es leider noch nicht gekommen.

Die sorbische katholische Enklave stellt heute in nationaler Hinsicht den intaktesten Siedlungsraum der Sorben dar. Der Katholizismus wurde hier für die Sorben zu einem Grundbestandteil nationaler und sprachlicher Identität. Er vereinigt in sich religiöse und nationale Werte und die Gläubigen halten noch weitgehend am Volkskirchentum fest. Die Pflichten eines Katholiken bestehen hier im sonntäglichen Kirchenbesuch, in Wallfahrten und anderen Frömmigkeitsformen. Der obligate Kirchgang und die verschiedenen religiösen Traditionen sind grundlegend für die konfessionelle Sozialisation. Sie stillen aber auch das Bedürfnis nach erlebbarer (ethnischer) Gemeinschaft und vereinen Gemeindemitglieder aller Altersstufen. So verlieh dieser traditionsgebundene Glaube auch Widerstandskraft in den Jahren der Diktaturen, zunächst in der Zeit des Nationalsozialismus und nach 1945 während des „realen Sozialismus" – daran konnte auch der staatlich verordnete Atheismus nur wenig ändern.

In der DDR durften beide Kirchen, die evangelische wie die protestantische, kaum öffentliche Initiativen entfalten. Da aber die katholische Kirche als Institution bei der gläubigen Bevölkerung eine höhere Akzeptanz als andere gesellschaftlichen oder staatlichen Kräfte genoss und die Gläubigen in das katholische Milieu stärker eingebunden waren als Christen in der sorbischen oder deutschen Diaspora, konnten sie ein stärkeres Gruppengefühl entwickeln und an ihrer sorbisch-katholischen Identität festhalten.

Allerdings stellte die politische und wirtschaftliche Wende vom Oktober 1989 auch für die katholischen Sorben eine entscheidende Zäsur dar. Das gesamte gesellschaftliche Gefüge, alle bisherigen Strukturen wurden hinterfragt und neu bewertet. Bald sah sich auch der praktizierende sorbische Katholik einer stärkeren Liberalisierung der Gesellschaft und einem grenzenlosen medialen Angebot gegenüber. Der Umgang mit vielen religiösen Traditionen wurde lockerer und oberflächlicher. Für die jüngere Generation sind die Barrieren zwischen der katholischen und der protestantischen Konfession keine unüberwindlichen Hürden mehr. In dieser Generation macht sich sogar eine Art Identifikationsmüdigkeit breit. Auch die zunehmende Arbeitslosigkeit in der Region birgt eine ernste Gefahr für die sorbische Substanz, weil sie eine Abwertung der Fähigkeiten der einheimischen Bevölkerung suggeriert und die sorbischen Minderwertigkeitsgefühle mehrt.

 


 

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