Projekat Rastko - Luzica / Project Rastko - Lusatia  

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Maria Mirtschin

Sorbische bildende Kunst

Es ist eine Besonderheit sorbischer Geschichte, dass es zur Herausbildung einer professionellen sorbischen Kunst erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand ein sozialer Nährboden für die Entwicklung einer sorbischen Berufskunst. In den vorausgegangenen Gesellschaften hatte jede über das Alltagsleben hinausgehende Aktivität der Sorben, aufgrund der sozialen Fixierung im gesellschaftlichen Unterbau, die Tendenz nationaler Grenzüberschreitung oder, anders ausgedrückt, der Assimilation. Daraus erklärt sich der Entwicklungsvorsprung, den jene Künste besaßen, deren Material die Sprache ist, die also – als mehr oder minder professionelle Genres – eine engere Beziehung zum Alltagsleben hatten. Es hat bis zu den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zwar sorbische Künstler gegeben, aber eine sorbische bildende Kunst im eigentlichen Sinne existierte, klammert man den Bereich der Volkskunst einmal aus, bis dahin nicht.

Mittelalter und Barock

Sorbische Elemente in der mittelalterlichen christlichen Kunst sind selten. Das bekannteste Beispiel sind die Fresken in der Dorfkirche Briesen unweit von Cottbus. Sie stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und sind im breiten Umfeld der Niederlausitz nach Umfang und ikonographischem Programm die komplettesten und umfangreichsten. Inhaltlich stützen sie sich besonders auf Szenen und Gestalten des Neuen Testaments. Die Herkunft der Künstler ist nicht geklärt, darf aber aufgrund stilistischer Vergleiche im mitteldeutschen Raum vermutet werden.

Die Niederlausitzer Landschaft wurde vom 6. Jahrhundert an von Slawen besiedelt; so verwundert es nicht, dass das Leben und die Eigenart dieses Ethnikums in der Wandmalerei reflektiert werden, auch wenn dies nur im strengen Rahmen der christlichen Ikonographie geschehen konnte. Der sorbische Musikwissenschaftler Jan Rawp hat in den Briesener Fresken die Figur eines Musikanten mit dem spezifisch sorbischen Dudelsack erkannt. Alle aus diesem Motiv hergeleiteten Spekulationen über die sorbische Herkunft des Künstlers oder über die Werkstatt der Fresken sind Hypothesen.

Die ersten Namen sorbischer Künstler tauchen im Zeitalter des Barock auf.

Im Jahre 1695 wurde in Salzenforst bei Bautzen Jakub Delenka als Sohn eines sorbischen Untertanen geboren. In Bauunterlagen ist überliefert, dass Delenka im Auftrag des Bautzener Domstiftes 1741 zwölf Stuckkapitelle und ein Sandsteinwappen für die katholische Pfarrkirche von Schirgiswalde geschaffen hat. In Bautzen selbst war Delenka vermutlich als Schöpfer von Bauplastik am Portal des Bautzener Domstiftes beteiligt. Die vier Sandsteinfiguren an der Westfassade der Klosterkirche von St. Marienstern gehören zu den urkundlich belegten figürlichen Plastiken, die den in Bautzen ansässigen Bildhauer als Schöpfer ausweisen. Während Delenka, der ohne höhere künstlerische Ausbildung war, nur lokale Bedeutung erlangte, nahm ein zweiter sorbischer Bildhauer, Maæij Wjac³aw Jäckel, einen festen Platz innerhalb der Kunst des böhmischen Barock ein. Jäckel wurde 1655 in Wittichenau geboren. Er gründete in Prag eine eigene Werkstatt, aus der unter anderem Skulpturen für Prager Klosterkirchen, für die Karlsbrücke (Anna selbdritt, Madonna mit Christuskind, Hl. Dominik, Hl. Thomas von Aquino) sowie für die Klosterkirchen in Sedlec, Bøevnov und Chotìšov hervorgingen. Seine Lehrjahre sind heute nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Wahrscheinlich ist, dass Jäckel bei einem Bildhauer in der Lehre war, der unter dem Einfluss der italienischen Barockplastik, insbesondere unter dem Eindruck der Arbeiten Giovanni Lorenzo Berninis, stand.

Die Autorschaft mancher Jäckel zugeschriebenen Arbeiten im Kloster St. Marienstern von Panschwitz-Kuckau und in der Wittichenauer Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt muss nach stilistischen Vergleichen in Frage gestellt werden. Sie scheinen vielmehr im Umkreis beziehungsweise in der Werkstatt Jäckels entstanden zu sein.

Hendrich Božidar Wjela und das 19. Jahrhundert

Zu den herausragenden Künstlern sorbischer Herkunft gehört der Landschaftszeichner und -radierer Hendrich Božidar Wjela. Er wurde 1778 in Förstgen bei Niesky als Sohn des sorbischen Pfarrers Jan Wjela geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Zeichenschule in Görlitz studierte Wjela von 1793 bis 1799 an der Dresdener Kunstakademie Landschaftsmalerei bei Johann Christian Klengel und Historienmalerei bei Giovanni Battista Casanova. Im Jahre 1799 wurde Wjela Landschaftszeichner der Chalkographischen Gesellschaft in Dessau, deren vorrangiger Zweck die durch grafische Vervielfältigung betriebene Publikation von Kunstwerken der Vergangenheit und von Ansichten des damals programmatischen Landschaftsparkes in Wörlitz war. Dabei kam es zur Synthese zwischen klassizistischen Bildungsidealen und romantischen Effekten. Aufträge verpflichteten Wjela zu topographischer Exaktheit; in den Ideallandschaften, die zum Teil in Aquatintatechnik übertragen oder durch Radierer reproduziert wurden, verliert sich Wjelas Handschrift häufig.

Im Winter 1801/02 begab sich Wjela mit dem Direktor der Petersburger Kunstakademie und der Zarenbibliothek, dem Fürsten Auguste de Choisneul-Gruffier, nach Russland. 1802 beteiligte er sich als Kartograf an einer militärisch-wissenschaftlichen Expedition des Zaren Alexander I. in den Kaukasus. Krank von den Strapazen der Reise, kehrte Wjela 1804 nach Bautzen zurück. Er starb am 1. Januar 1805. Kurz vor seinem Tod hatte er seine kaukasischen Reiseeindrücke in einer Serie von Zeichnungen verarbeitet, die später von C. Haldenwang als Aquatintablätter vervielfältigt worden sind.

Wjela lässt sich als Zeichner und Radierer zwischen dem Sturm und Drang und der Romantik einordnen. Bis zu seiner Dessauer Zeit bearbeitete er hauptsächlich stilistisch vorgeformten Boden. Die persönlichen Erlebnisse und der tiefe Eindruck der Natur während der Kaukasusexpedition beeinflussten ihn außerordentlich stark. Im Verlauf dieser Reise entstanden nebenher eigene Zeichnungen, mit denen Wjela auch zur Herausbildung der realistischen deutschen Landschaftsmalerei beitrug.

Sorbisches als Bildgegenstand bei Wjela ist uns nur durch die Bleistift-Kreidezeichnung „Landschaft mit Wassermühle bei Kreba“ (um 1795) bekannt. Vor der Krebaer Mühle verabschiedet sich ein Jüngling von drei Frauen in sorbischer Tracht und einem Kind. Es ist eines der frühesten Blätter Wjelas. Vermutlich handelt es sich um eine Selbstdarstellung des Künstlers. Die Zeichnung könnte den zwölfjährigen Wjela bei seinem Abschied von den Familienangehörigen zeigen, kurz vor seinem Weggang ans Görlitzer Gymnasium.

Außer Wjela brachte das 19. Jahrhundert lediglich sorbische Gelegenheitsgrafiker hervor. Weniger bekannt dürfte sein, dass es im Zuge des Aufblühens der Karikatur in Deutschland zur Mitte des vorigen Jahrhunderts auch bei den Sorben satirische Grafik gab. Die sorbische Wochenzeitung „TydŸenske Nowiny“ veröffentlichte in den nachrevolutionären Jahren 1850 und 1851 in 32 Fortsetzungen eine Bilderzählung mit dem Titel „Knjez Wjesela Na swojim kublje abo radosæij wonkowskjeho žiwjenja“ (Herr Wjesela auf seinem Gut oder die Freuden des Landlebens). Der Autor der Grafiken sowie des begleitenden Untertextes war der Schleifer Pfarrer Julius Eduard Wjelan (1817–1892). Mit seiner Bildgeschichte über die Erlebnisse, Taten und Laster des Herrn Wjesela fügt sich Wjelan durch die künstlerischen Mittel und inhaltlichen Anliegen in die zeitgenössische Art der politischen Satire ein. Parallelen zu Theodor Hosemanns Zyklus von Lithografien aus dem Jahre 1847 werden deutlich: Er trug die stilistisch adäquate Bezeichnung „Herr Fischer auf dem Vereinigten Landtage von ihm selbst“ und erschien ebenfalls in 32 Fortsetzungen. Formelle und dramaturgische Entsprechungen lassen sich auch zwischen Wjelans Wjesela-Geschichte und dem deutschen Struwwelpeter aus dem Jahre 1845 finden. Das von Wjelan geschilderte Zurückziehen des Herrn Wjesela aufs Land ist nicht nur als Humoreske über einen tolpatschigen Gutsherrn gedacht, sondern hat einen ernsten politischen und nationalen Hintergrund. Die Zeichnungen sind eine Kritik an der resignativen Haltung, die auch die sorbische Intelligenz in der nachrevolutionären Zeit eingenommen hatte.

Sorbische Kunst im 20. Jahrhundert

Die Brauchtumsmalerei

Der Aufschwung der Volkskunde und des Heimatschutzes in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts zog das Interesse deutscher und ausländischer Künstler für die Sorben nach sich. Die sogenannte Brauchtumsmalerei entstand. Diese Malerei zielte auf eine beschreibende Darstellung der Folklore. Künstler wie William Krause (1875–1925), Ludvík Kuba (1863–1956) und später Friedrich Krause-Osten (1884–1966) oder Ante Trstenjak (1894–1970) widmeten sich dem sorbischen Landvolk und zeigten es in seiner kulturellen Vielfalt und seinen überkommenen Traditionen.

Der Tscheche Ludvík Kuba ist unter all jenen, die sich in der bildenden Kunst mit den Sorben beschäftigt haben, der Wissenschaftler und Ethnograf. Seine Trachtenstudien aus den Jahren 1922 und 1923 erwuchsen aus dem Vorhaben, alle lebenden Trachten der Sorben mit dem Pinsel festzuhalten.

Der Dresdener William Krause war der erste deutsche Maler, der im Jahre 1906 als Mitglied der künstlerischen Abteilung in die wissenschaftlich-kulturelle Gesellschaft Maæica Serbska aufgenommen wurde. Er war hauptsächlich in den Sommermonaten der Jahre 1902 bis 1912 im preußisch-oberlausitzischen Schleife tätig, wo er sich sein Atelier beim sorbisch-evangelischen Pfarrer Matej Handrik eingerichtet hatte. Krause war an der Dresdener Kunstakademie ein Schüler Carl Bantzers gewesen. Bantzer hatte seinen Stoff im Hessischen gefunden, William Krause indessen zog es gleich nach dem Studium nach Schleife. In Schleife überwog zu jener Zeit noch der Anteil der sorbischen Bevölkerung. Sprache, Sitten und Bräuche hatten sich, in der speziellen Eigenart dieser Region, gut erhalten. Es war die Faszination der Oberfläche, des ländlich-sorbischen Sonntagslebens von Schleife und Umgebung, welche die Maler William Krause und später auch Ludvík Kuba fesselte. Das von Zivilisation und Urbanisierung wenig berührte Stück Lausitz wurde visuell-impressiv aufgefasst. So entstand in den Schleifer Bildern das neuromantische Scheinbild eines intakten sorbischen Volkstums. Mit ähnlichen Sujets beschäftigte sich in den zwanziger und vierziger Jahren ein weiterer deutscher Maler, Friedrich Krause-Osten. Seine Genrebilder aus Schleife beschränkten durch Lyrismus und Stoffwahl die Lebensweise auf ein Feiertags- und Feierabenddasein. Das Bild des sorbischen Dorfbewohners ist bei Krause-Osten recht statisch. Seine Arbeiten erstrecken sich von lichtdurchfluteter, locker-frischer Freilichtmalerei im Sinne des Impressionismus bis zu gestellten, schwerfälligen oder auch anheimelnden Genredarstellungen musizierender oder in der jeweiligen regionalen Tracht posierender Sorben und Sorbinnen.

Der slowenische Maler und Grafiker Ante Trstenjak wurde während seiner Studienzeit in Prag in einer Ausstellung mit dem Lausitzer Schaffen Ludvík Kubas bekannt. Durch Vermittlung Vladimír Zmeškals, damals Sekretär der Vereinigung der Freunde der Lausitz in Prag, besuchte er schließlich in den Jahren 1928, 1930, 1938 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg die Lausitz. Er malte eine Reihe von Landschafts- und Genredarstellungen, die allesamt großzügig gehalten sind.

Obgleich sehr unterschiedlichen Kulturtraditionen verpflichtet, waren Kuba, Krause, Krause-Osten und Trstenjak auf jeweils eigene Art Mittler zur sorbischen Kunst, die sich seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts sichtbar zu entwickeln begann.

Die Vereinigung sorbischer bildender Künstler

Die Herausbildung einer spezifisch sorbischen Kunst hängt mit einem allgemeinen kulturellen Aufschwung seit den zwanziger Jahren zusammen. Er war Ausdruck des wiedererwachenden Nationalbewusstseins und zugleich eine Reaktion auf nichterfüllte nationale Hoffnungen nach dem Ersten Weltkrieg. Die für die Sorben zunächst günstigere politische Situation der Weimarer Republik beflügelte die Künstler, nationale Ideale zu vertreten, die sie allerdings in ihrer Kunst sehr differenziert interpretierten. Bei ihrer Suche nach national Typischem wurde – im Gegensatz zur Brauchtumskunst – ein visuelles Abbild der Folklore vermieden.

Zur damals jungen sorbischen Künstlergeneration gehörten Mìræin Nowak-Njechorñski (1900–1990), Hanka Krawcec (1901–1990) und Fryco Latk (1895–1980).

Zum überlegenen Repräsentanten sorbischer Kunst der zwanziger und dreißiger Jahre entwickelte sich Mìræin Nowak-Njechorñski. Für ihn lag die Zukunft der sorbischen Kunst im nationalen Charakter. Programmatisch schuf er seit dem ersten Nachkriegsjahrzehnt Grafiken, die sich in Inhalt und Formensprache stark an die einheimische sorbische Volkskunst und Folklore anlehnten. Bei seinem Versuch, einen eigenen nationalen Stil zu begründen, standen ihm in erster Linie die Traditionen der sorbischen und anderer slawischer Volkskulturen, die ihm durch seine Studienjahre in Warschau und Prag bestens vertraut waren, sowie Stilströmungen der Jahrhundertwende als Vorbilder vor Augen. Nowak-Njechorñski brachte als einziger sorbischer Künstler jener Zeit konzeptionelle Vorstellungen in die Kunst ein, welche bereits den Rahmen der Kunst sprengten und sich auf die Lebensweise, die Geschichte, die „Seele“ und das nationale Schicksal der Sorben bezogen. Er war der Schöpfer unzähliger Illustrationen zu Volksliedern, Sagen, Märchen und Sprichwörtern. Die Landbevölkerung wurde bei Nowak-Njechorñski zur Trägerin nationaler Ideale, Bestrebungen und Hoffnungen. Gemäß seinem ästhetischen Programm kam die Intelligenz als unmittelbarer Bildgegenstand nicht in Frage. Die sorbische Landbevölkerung dagegen wird in einen zeitlosen Umkreis gestellt, ihre Lebensweise in Verbindung mit der Folklore oder der Mythologie geschildert, wodurch soziale Widersprüche entgleiten.

Die erste sorbische Grafikerin war Hanka Krawcec. Sie wurde als Tochter des sorbischen Pädagogen, Musikwissenschaftlers und Komponisten Bjarnat Krawc in Dresden geboren. Durch ihr Elternhaus war sie von Kind an mit den bürgerlichen sorbischen Kulturtraditionen vertraut. Den Großteil ihres späteren Lebens verbrachte sie außerhalb der Lausitz. Maßgeblichen Einfluss auf Hanka Krawcec' Entwicklung hatte ihr Studium an der Höheren Kunstgewerbeschule Prag in den Jahren 1924 bis 1928. Nach Abschluss des Studiums war sie Gebrauchsgrafikerin in einem Berliner Werbeatelier und tastete dabei die breite Palette der Gebrauchsgrafik ab. Da die Auftraggeber häufig wechselten, hielt sie sich relativ offen für Veränderungen in ihren Arbeiten. Ein deskriptiver prosaischer Genrerealismus wich bei Hanka Krawcec seit dem Ende der zwanziger Jahre mehr und mehr der Fähigkeit, mit symbolischen Verknappungen umzugehen.

Hanka Krawcec widmete sich auch im angewandten Bereich der Folklore. Illustrationen und Einbandgestaltungen zu Liederbüchern ihres Vaters sowie Scherenschnitte seien als Beispiele genannt. Eine gewisse Ausnahme im Werk von Hanka Krawcec und innerhalb der sorbischen Kunst jener Zeit bildet der Holzschnitt „Èervený kvìt“ (Rote Blume). Es ist die Illustration zum gleichnamigen Gedicht des tschechischen Dichters Petr Bezruè aus dem im Jahre 1909 entstandenen Balladenband „Slezské písnì“ (Schlesische Lieder). Hanka Krawcec sah in den Bergleuten des tschechisch-polnischen Grenzgebietes Schicksalsgenossen der Sorben. Mit dem Holzschnitt gelang ihr ein kraftvolles Pendant zu dem lyrischen Gedicht, da er sich in seiner sozialen Aussagekraft deutlicher erklärte als der Text selbst.

Neben Hanka Krawcec und Mìræin Nowak-Njechorñski zählte Fryco Latk zu den ersten sorbischen Illustratoren. Er war der einzige niedersorbische Vertreter in der 1923 gegründeten Vereinigung sorbischer bildender Künstler. Latk begann 1921 sein Studium an der Weimarer Kunsthochschule und war seit 1925 Meisterschüler der Professoren Walter Klemm und Alexander Olbricht. Durch die Bekanntschaft mit dem Pfarrer von Dissen bei Cottbus, Bogumi³ Šwjela, gelangte Fryco Latk in Verbindung zum sorbischen kulturellen Leben. Šwjelas Interesse für Latk hat sich förderlich auf dessen nationales Engagement in der Kunst ausgewirkt. Seinen Lebensunterhalt musste Latk aber hauptsächlich durch Aufträge von deutschen Verlagen und Zeitschriften bestreiten.

Durch die Vermittlung Šwjelas kam Latk in den Jahren 1929/30 zu einem Illustrationsauftrag für die beiden Gedichtbändchen „Pìsne“ des niedersorbischen Dichters Mato Kosyk, deren Herausgeber Šwjela war. Dabei handelte es sich um den Beginn der Werkausgabe Kosyks, die mit der Edition der genannten Gedichte allerdings Fragment blieb. Vom Ende der zwanziger bis zum Beginn der vierziger Jahre schuf Latk Landschaftsaquarelle und -zeichnungen.

Bei Fryco Latk bildete die Landschaft einen geschlossenen Themenkreis. Anfangs wählte er konkrete Ausschnitte aus seiner Niederlausitzer Heimat, das heißt, er malte die Gegend um Neuendorf, Bärenbrück, Lakoma und Jänschwalde. Im Laufe der Jahre aber wurde der direkte Eindruck vor Ort allmählich durch die Erinnerung, durch das Malen aus dem Gedächtnis verdrängt.

Die sorbischen Künstler der zwanziger und dreißiger Jahre suchten Nationales nicht mehr in der Abbildung der Folklore schlechthin, sondern bemühten sich um ein stärkeres ästhetisches und philosophisches Eindringen in die Eigenarten des sorbischen Volkes, dessen heimatlich-nationale Geschichtsentwicklung, Volkskultur und Brauchtum sie sich aneigneten.

Sorbische Kunst begehrte gegen deutsche Kulturpolitik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich auf, indem sie das nationale Selbstgefühl der Sorben aktivierte. Sie hat damit eine wichtige psychologische und nationale Rolle gespielt.

Sorbische Kunst heute

Mit der historischen Zäsur vom 8. Mai 1945 wurde auch für die sorbische bildende Kunst die Frage nach einem neuen Anfang dringlich, obgleich sie – anders als etwa die deutsche – durch ihre feste Bindung an die sorbische nationale Bewegung formal, stärker aber noch inhaltlich, den demokratischen, kleinbürgerlich-nationalen Traditionen verpflichtet geblieben war. Zur Aufgabe dieser Position sahen sich die sorbischen Künstler, die schon seit der Weimarer Zeit für die Sorben aktiv gewesen waren, vorerst nicht gezwungen. Das beweist die Wiederveröffentlichung des programmatischen Aufsatzes von Mìræin Nowak-Njechorñski aus dem Jahre 1927 unter der Überschrift „Die Aufgaben der sorbischen Kunst“ in der sorbischen Zeitung „Nowa doba“ im Jahre 1948.

Sorbische Maler und Grafiker fanden sich 1948 anlässlich ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung nach dem Krieg zum Arbeitskreis sorbischer bildender Künstler zusammen. Im Gegensatz zu den damals bestehenden deutschen Künstlergruppen war der sorbische Arbeitskreis zunächst eine Vereinigung unter dem Gesichtspunkt der ethnischen Herkunft, nicht aber der künstlerischen Intentionen oder inhaltlichen Konzeptionen. Auffallend war eine Pluralität der Interessen und ein sehr differenziertes Leistungsvermögen, zumal auch Laienschaffende aufgenommen wurden. Durch die neu hinzustoßenden Künstler sorbischer Herkunft, die sich in der Weimarer Republik und der faschistischen Diktatur nicht öffentlich als Sorben bekannt und demzufolge auch nicht für die Sorben gearbeitet hatten, wurde die Frage nach dem „Woher und Wohin?“ für die sorbische Kunst akut. Von nun an flossen in die sorbische Kunst Anschauungen und künstlerische Traditionen ein, die in keiner Beziehung zur Entwicklung der zwanziger und dreißiger Jahre standen.

Mit Conrad Felixmüller (1897–1977) leitete den sorbischen Arbeitskreis von 1948 bis 1951 eine überaus erfahrene, am Zeitgeschehen beteiligte Künstlerpersönlichkeit, die besonders in der Revolution von 1918 und den darauf folgenden Jahren in ihrer Kunst eine starke soziale Verantwortlichkeit zum Ausdruck brachte. Auch der Dresdener Maler Horst Šlosar (1903–1964) tendierte sogleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu gesellschaftlich relevanten Darstellungen, was durch seine proletarische Herkunft und sein Studium bei Otto Dix zweifellos begünstigt wurde. Von dieser Konsequenz und Eindringlichkeit war das künstlerische Schaffen Felixmüllers und Šlosars jedoch nicht durchgängig. Im Ringen um ihr Selbstverständnis als sorbische Künstler durchliefen sie ein Stadium folkloristisch geprägter Malerei. Die Folklore war bei Felixmüller zwar kein Selbstzweck mehr, übernahm aber in seiner thematisch-genrehaften Malerei aus dem ländlichen Milieu der sorbischen Oberlausitz um das Dorf Crostwitz noch eine attributive Funktion. Seine Bildsprache blieb – wie schon seit den dreißiger Jahren – impressiv und beruhigt. Die in der Kamenzer Umgebung entstandene Malerei gleicht einem Wiederentdecken seiner sorbischen Vorfahren. In dieses thematische Bild lassen sich Felixmüllers Arbeiten „Der Besuch“ (1949) oder „Schneiderin aus Crostwitz“ (1950) einordnen. Für tiefgründigere künstlerisch-inhaltliche Vorstöße war seine Beziehung zu den Sorben sicherlich zu kurz und zu oberflächlich.

Das Fortbestehen tradierter ästhetischer Positionen sorbischer Kunst der zwanziger und dreißiger Jahre wurde durch bestimmte Losungen der DDR-Kulturpolitik seit den fünfziger Jahren begünstigt. Dazu zählte vor allem die Forderung nach einer Kunst, die sozialistisch im Inhalt und national in der Form sein sollte. Daher wurden nicht selten schematisch dekorative Systeme und überkommene inhaltliche Vorstellungen vom Nationalen auf neue, gesellschaftlich aktuelle Stoffe übertragen.

Ota Garten (geb. 1902) aus Elstra bei Kamenz brachte seit Beginn der fünfziger Jahre seine solide malerische Auffassung in den sorbischen Arbeitskreis ein, die ihre Wurzeln in jenen koloristischen Traditionen findet, welche Gotthard Kuehl einst nach Dresden verpflanzt hatte. Der meist provinzielle Gegenstand gewann bei Garten durch eine kultivierte Malweise an Intensität.

Erst seit den siebziger Jahren gingen echte inhaltliche Neuerungen auch mit einer Veränderung der Stilmittel einher. Diese Wandlung wurde insbesondere durch Jan Buk vollzogen.

Jan Buk wurde 1922 in Nebelschütz bei Kamenz geboren. Er studierte ab 1947 in Wroc³aw und danach in Dresden Malerei. Besonders die Wroc³awer Zeit war für sein Schaffen ausschlaggebend. Schon am dortigen „Kunstlyzeum“ prägten ihn Lehrer, die – wie die polnische Kunst im allgemeinen – unter starkem Einfluss westeuropäischer, insbesondere französischer Traditionen standen.

Ein wichtiger Abschnitt in Buks künstlerischer Entwicklung war seine Mittelasienreise im Jahre 1973. Er verlieh in den Reisebildern seinen intensiven Licht- und Farberlebnissen Gestalt und befreite sich auf diese Weise malend von thematischen und stilistischen Abhängigkeiten. Er blieb nicht lange an diese Exotik gebunden, denn er machte ähnliche Licht- und Farbentdeckungen bald auch in seiner Lausitzer Heimat. Hier boten die Braunkohlengruben und Steinbrüche mit all ihren Extremen dankbare Motive. In diesem Entwicklungsprozess begann Buk auch zu aquarellieren. Nur scheinbar bilden seine Aquarelle einen Kontrast zu den fest durchkomponierten und im Gegenstand konzentrierten Ölstilleben.

Buk braucht als sorbischer Maler nicht mehr die Gegenständlichkeit und Stofflichkeit der sorbischen Folklore. Es sind rein malerische Mittel, durch welche er sein künstlerisches Ziel erreicht. Die Form zieht bei Buk die Aufmerksamkeit auf sich, nicht das Abbild der Folklore. Er sieht das Nationale im komplexen geistigen Zusammenhang der modernen Welt und bringt damit eine neue Qualität in die sorbische Kunst ein. Buks Werk bedeutet Ausbruch aus der sorbischen Exklusivität und Enge und Anschluss an die moderne Kunstentwicklung. Dem entspräche in der sorbischen Literatur vielleicht die Entwicklungslinie von Jakub Bart-Æišinski über Jurij Chìžka zu Kito Lorenc.

Jan Hanski (geb. 1925) malt erst seit den siebziger Jahren in der bei uns seltenen Technik des Lackschliffes, die ihren Ursprung im asiatischen Raum hat. Seine Herkunft aus der Gebrauchsgrafik lässt sich bis heute nicht leugnen. Hanski vermittelt seine Bildinhalte über die Symbolkraft der Gegenstände. Er „malt“ nicht, sondern setzt eher intellektuelle Zeichen.

Wórša Lanzyna (geb. 1928) wurde als Keramikerin und Buchgestalterin ausgebildet. Sie ist in der Lage, ein breites Auftragsfeld zu bedienen. Dazu gehören die Ausgestaltung von Gaststätten und die Herstellung dekorativer Keramik. Wórša Lanzyna zählt zu jenen Künstlern, die sorbische Kunst weiterhin in einem engen Sinn- und Formzusammenhang zur sorbischen Folklore sehen.

Steffen Lange (geb. 1931) hat als Gebrauchsgrafiker das äußere Bild verschiedener sorbischer Zeitschriften, Zeitungen und Theaterprogrammhefte mitgeprägt. Seine Stärke ist die humorvolle Zeichnung.

Božena Nawka-Kunysz (geb. 1946) hat in Kraków Malerei und Grafik studiert und lebt heute in Katowice und Bautzen. In ihren farbintensiven Malereien überträgt sie traditionelle Motive aus der Folklore in eine surreale, traumähnliche Atmosphäre. Die gebürtige Bautzenerin Sophie Natuškec (geb. 1950) lebt außerhalb der Lausitz, im Oderbruch. Durch konzentrierte grafische Strukturen wird sie in jüngster Zeit unabhängiger vom Gegenstand, zugunsten der Konzentration auf Eindrücke und Anschauungen, deren Ausgangspunkt immer wieder die Landschaft bleibt. Ihre Radierungen und Aquarelle erhalten dadurch einen assoziativen Charakter.

Iris Brankaèkowa (geb. 1958) gehört heute bereits zu den bewährten sorbischen Künstlern. Sie studierte Buchgestaltung und Grafik und hat für den Bautzener Domowina-Verlag sowie für deutsche Verlage eine Reihe von Büchern künstlerisch gestaltet und illustriert. Mehrere Kulturplakate tragen ihre Handschrift. Als Ausgleich zur Buchgestaltung, welche festen ästhetischen und besonders funktionalen Grundsätzen unterliegt, widmet sie sich dem Aquarell. Die sensiblen leichten Landschaften sind mehr als ein Nebenprodukt ihrer Arbeit, sie haben eigenes Gewicht bekommen.

Die philosophischste sorbische Künstlerin, Maja Nagelowa (geb. 1959), lebt derzeit in Eula bei Nossen. Sie schlägt in ihren Arbeiten einen Bogen von der sorbischen Mythologie zur Mythologie anderer Völker und zu den großen Traditionen der Kunstgeschichte. Dieses Formenrepertoire macht sie für sich produktiv. Sie reflektiert auf diese Weise zeitgemäße existentielle Fragen der Menschen und ordnet die sorbische Existenzproblematik in diesen Kontext ein.

 Literatur:

- F. Mìtšk, Gab es im Feudalzeitalter bei den Sorben eine bildende Kunst; In: Lìtopis C 15, Bautzen 1972

- A. Krautz, Sorbische bildende Künstler, Bautzen 1974

- M. Mirtschin, Sorbische Kunst: Die zwanziger und dreißiger Jahre (Schriftenreihe des Sorbischen Instituts, 2), Bautzen 1992

- Sorbische bildende Kunst 1923–1998, Bautzen 1998

 


 

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