Projekat Rastko - Luzica / Project Rastko - Lusatia  

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Toni Bruk

Der Film bei den Lausitzer Sorben

Der Film hat als synthetische Kunstgattung eine wesentliche Bedeutung für die soziale und künstlerische Entwicklung der kleinen Völker. Das sorbische Volk konnte aufgrund historischer und ökonomischer Bedingungen, wegen materieller und regionaler Beschränkungen diese Form in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur sporadisch nutzen. Während man den traditionellen Künsten und der Volkskunst einen guten Entwicklungsstand bescheinigen kann, blieben die audiovisuellen Medien hinter dem europäischen Niveau zurück, was bis in die Gegenwart gilt. Die Intensivierung des elektronischen Mediums Fernsehen (samt Videotechnik) hat zwar die technischen Möglichkeiten zur Verbreitung vorhandenen Filmgutes verbessert, praktisch aber bleiben die Sorben unterversorgt.

Im Jahr 1913 entstand in der Niederlausitz, im Spreewald, das wohl erste filmische Zeugnis, in dem Sorben eine Rolle spielen. Der bekannte Stummfilmstar Asta Nielsen agierte im Film „Ein fremder Vogel" des dänischen Regisseurs Urban Gad. Erzählt wird die Geschichte einer Ausländerin, die sich beim Besuch des Spreewaldes in einen jungen sorbischen Burschen verliebt, der jedoch ihre Liebe nicht erwidert, weshalb sie den Freitod in den Fluten der Spree wählt.

Der sächsische Volkskundler Oskar Seyffert hat uns Filmaufnahmen sorbischen Brauchtums aus der Mittellausitz hinterlassen, die vom Anfang der zwanziger Jahre stammen. Nach 1925, in der Weimarer Republik, entstanden etwa zehn Kulturfilme über Bräuche und Lebensgewohnheiten der Lausitzer Sorben. Waren diese Filme anfänglich sachlich und objektiv, so wandelte sich das Bild zu Beginn der dreißiger Jahre. In Filmkatalogen aus dieser Zeit werden solche Filme wie „Ostern in der Wendei", „Unbekanntes Wendenland", „Volkstrachten im Wendenlande" zum Verleih angeboten. Die Texte in den Begleitheften besprechen die Inhalte der Filme mit Attributen wie „hinterwäldlerisch-verträumt", „romantisch" und „exotisch" – und meinen damit eine „wendische Restbevölkerung"; 1933 und später ist vom „wendisch sprechenden Deutschen" die Rede, der „in der Wendei ein schweres Leben hat, aber die Heimat liebt und in uraltem Brauchtum feiert" (Kulturfilmverzeichnis 1935, Reichsvereinigung Deutscher Lichtspielstellen, Berlin 1935). Der nationalsozialistische Staat hatte kein Interesse an der Popularisierung von Kulturwerten einer slawischen Volksgruppe in Deutschland. Die Lausitz diente lediglich als Kulisse für deutsche Filme wie „Das Spreewaldmädel" und „Die goldene Stadt", die nach dem Nürnberger Prozess aufgrund ihres chauvinistischen Inhalts per Dekret auf den Index kamen.

Um 1930 versuchten einige Sorben, wichtige öffentliche Ereignisse filmdokumentarisch zu erfassen. Herbert Zerna aus der Niederlausitz und Vladimír Zmeškal aus Prag haben sorbische Feste in Vetschau und Radibor sowie verschiedene Trachten aufgenommen.

Nach der Befreiung vom Faschismus entstanden wenige Filmmeter über die Einweihung eines Denkmals für gefallene polnische und sowjetische Soldaten in Königswartha. 1948 wurde das Treffen sorbischer Jugendbrigaden in Uhyst/Spree dokumentiert. Nach der Gründung der DDR im Jahr 1949 erfüllte die DEFA ab und an die Pflicht der Berichterstattung über die Lausitz, die immerhin vom Präsidenten Wilhelm Pieck besucht wurde, es entstanden Reportagen über den Bau des neuen Hauses der Sorben und über Erntedankfeste im Spreewald.

Die DEFA-Studios für Kurz-, Dokumentar- und populärwissenschaftliche Filme in Potsdam und Berlin produzierten für das so genannte Kino-Beiprogramm in der DDR verschiedene Filme, die vor allem das Brauchtum betrafen. „Rockenstock und Zamperstrauß" und „Hexennacht und Maientanz" sind die bis heute bekanntesten Streifen aus dieser Zeit, in denen sachlich, aber mit folkloristischem Akzent Sorben in der Ober- und Niederlausitz agieren. „Wenn Jan und Lenka Hochzeit machen" ist die Spielvariante einer sorbischen Hochzeit aus der Hoyerswerdaer Region – im Hintergrund das „sozialistische Großkraftwerk" Schwarze Pumpe, ein Zeugnis für den Braunkohlenabbau und die damit verbundenen Eingriffe in die Landschaft und Lebensweise der Lausitz.

In die Nachkriegszeit fällt auch die Tätigkeit des sorbischen Fotografen und Filmchronisten Kurt Hajna, der mit seiner 16-mm-Kamera im Auftrag der Domowina sowie aus eigenem Antrieb fast alle sorbischen Bräuche der vier bedeutendsten Folklore-Regionen über das Jahr hinweg dokumentiert hat. Daneben hat er den Alltag und die Feste der Sorben im Film festgehalten. Monothematische Streifen sind den Dichtern Æišinski und Zejler gewidmet. Sie sind nahezu die einzigen visuellen Zeugnisse der sorbischen Kultur der fünfziger und sechziger Jahre.

Kurt Hajna und Jan Hempel drehten in den fünfziger Jahren unter schwierigen Bedingungen den ersten sorbischen Puppentrickfilm in Bautzen drehten. Der Film mit dem Titel „Der Wolf und die Füchsin" entstand nach einem sorbischen Märchen, in dem eine schlaue Füchsin immer wieder den dummen Wolf überlistet. Jan Hempel war später für mehrere Jahre künstlerischer Leiter des DEFA-Studios für Trickfilme in Dresden und hat als Pionier des Puppentrickfilms seinen Anteil an der Entwicklung dieses Genres in der DDR.

Im DEFA-Studio für Spielfilme in Potsdam-Babelsberg entstand 1953 der bisher einzige Langmetrage-Spielfilm nach einem sorbischen Stoff. Nach dem Roman „52 Wochen sind ein Jahr“ von Jurij Brìzan kam der Film in der Regie von Richard Groschopp und unter Mitwirkung bekannter deutscher Schauspieler 1955 in die Kinos der DDR. Vor dem Hintergrund kollektiver Arbeit in der Landwirtschaft geht es um eine junge Liebe, um Politik, Sabotage und ein Happy-End beim sorbischen Hochzeitsfest in einem Oberlausitzer Dorf. Ein Film, dem wenig Publikumserfolg vergönnt war, weil er plakativ Klischees der Epoche mit sorbischem Stoff nachahmte.

Ende der sechziger Jahre benötigten die Kinos für die Beiprogramme ständig Kurzfilme; so entstand eine Reihe von Filmen über die Sorben der zweiten DDR-Generation. Neben der alljährlichen Berichterstattung zum Thema „Ostern bei den Sorben" war es an der Zeit, ausführlicher von dieser Minderheit zu berichten und auch international auf die Nationalitätenpolitik der DDR aufmerksam zu machen. „Begegnungen in der Lausitz" (Regie Armin Georgi), „Die Enkel der Lusitzer" (Regie W. Jentsch) und „Die Enkel des Arnošt Bart" (Regie Christiane Wilkening) waren Ergebnisse aus dieser Phase. Immer wieder gab es Filme oder Fernsehbeiträge, ein denen über die Sorben unter dem Aspekt der Brauchtumspflege berichtet wurde. Der Eindruck vom „ewig singenden und tanzenden Volk" (Alfred Krautz) wurde durch unklare Dramaturgie und die Vermischung von realem Leben und Bühnendarstellung eher verstärkt als relativiert. Eines der Klischees waren die in sorbische Festtagstracht gekleideten jungen, eiermalenden Mädchen aus der Schleifer Region, die als Postkarte jedes Jahr zu Ostern verbreitet wurden und im Unterbewusstsein der Zuschauer lange präsent waren. So haben Film und Fernsehen das Bild der Sorben oft einseitig gezeichnet.

Das Fernsehen der DDR hat in diesen Jahren Drehbücher Jurij Brìzans als Fernsehspiele, ein eigenständiges Genre dieses Mediums, gesendet: „Die alte Janèowa“ und „Musen im Mäuseturm“. Bei der Janèowa handelte es sich um eine Bearbeitung der gleichnamigen dramatischen Chronik des Autors, „Musen im Mäuseturm" enthielt sorbische Thema nicht.

Die siebziger Jahre begannen für das Filmschaffen in der Lausitz mit einer doppelten Zäsur: der Premiere des Kurzfilms „Struga – Bilder einer Landschaft" und der Gründung der Sorbischen Arbeitsgruppe Film und Fernsehen im Herbst 1971, aus der wenige Jahre später der Arbeitskreis sorbischer Filmschaffender hervorging. Anhand des Gedichtzyklus von Kito Lorenc „Struga" schrieben der Lyriker sowie Toni Bruk und Konrad Herrmann, der auch Regie führte, das Szenarium. Der Film bewegte das sorbische Publikum, er wurde häufig diskutiert und auf Filmfestivalen in Leipzig, Oberhausen, Moskau und New York gezeigt.

Im Anschluss an diese Arbeit wurde vom gleichen Autorenteam ein Spielfilm mit dem Arbeitstitel „Hanzo Nepila" verfasst, der aufgrund inhaltlicher Kritik und ökonomischer Zwänge bis heute nicht realisiert wurde. Im Vorfeld der Arbeit an „Struga" gründeten Alfred Krautz als Vorsitzender, Konrad Herrmann, Jan Hempel und Toni Bruk den Arbeitskreis sorbischer Filmschaffender, der die konzeptionelle Arbeit mit dem sorbischen Film verbessern wollte. Daneben sollte bei den sorbischen Zuschauern ein Klima für die Rezeption von audiovisuellen Medien geschaffen werden. Da in der Lausitz keine professionellen Filmemacher arbeiteten, stützte sich das Gremium zunächst auf Amateurfilmzirkel in Cottbus, Bautzen, Spremberg, Wetro und Welzow sowie auf Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Es stellte sich Erfolg ein. Die Amateurfilmzirkel begannen sich bewusster und öfter mit dem sorbischen Thema zu beschäftigen. Studenten der Filmhochschule widmeten sich der beschwerlichen Tätigkeit des sorbischen Berufstheaters auf dem Lande. Die Hochschule hat die Tätigkeit des Arbeitskreis praktisch und theoretisch viele Jahre unterstützt.

1976 wurde im Haus für sorbische Volkskunst in Bautzen ein Sektor für Film und Fotografie mit dem Ziel geschaffen, die Arbeit mit diesen Kunstgattungen in der Lausitz zu verbessern. Den Sektor leiteten Toni Bruk und Jürgen Matschie, die sich später hauptberuflich dem Film bzw. der künstlerischen Fotografie zugewandt haben.

Mit der Gründung der Produktionsgruppe „Sorbischer Film" bei der DEFA in Dresden unter Leitung von Toni Bruk im Jahr 1980 wurde der sorbische Film professionalisiert und institutionalisiert. Obwohl die Mittel des Kulturministeriums bescheiden waren, erlaubten sie die Produktion von zwei bis drei Kurzfilmen pro Jahr, meist parallel in sorbischer und deutscher Sprachversion. Erstmals wurde Anfang der siebziger Jahre einer Forderung von Pawo³ Nedo entsprochen und zwischen Filmen über die Sorben und Filmen für die Sorben unterschieden. In 10-jähriger Tätigkeit der Produktionsgruppe entstanden mehr als 30 Filme, darunter auch einige Auftragswerke des DDR-Fernsehens. Die Gruppe versuchte mit kleinen Schritten den immensen Nachholebedarf teilweise aufzuarbeiten und mit Hilfe des Arbeitskreises die Filme dem sorbischen Publikum nahe zu bringen. In erster Linie wurden Themen der sorbischen Lausitz gewählt, in zweiter Linie der schöpferische Kontakt zu Studios im slawischen Ausland gesucht. Erfolgreiche Produktionen wurden so einerseits in der DDR und andererseits in den Kooperationsländern publik gemacht, was von den neuen künstlerischen Möglichkeiten der Sorben zeugte. Zu erwähnen ist aus dieser Zeit die Herstellung eines Kurzspielfilmes nach einer Erzählung des sorbischen Autors Beno Budar unter dem Titel „Unruhe" (Regie Toni Bruk), der das Problem sorbischen nationalen Überlebens sowie den Konflikt der Generationen behandelte.

Mit der Vereinigung beider deutscher Staaten im Jahre 1990 änderten sich die Existenzbedingungen der sorbischen Filmgruppe grundlegend. Die Mitarbeiter wurden in die freie Marktwirtschaft entlassen.

Mit der Gründung des SORABIA-FILM-STUDIOS im Jahr 1991 wurde an die Tradition der DEFA angeknüpft, allerdings war die Umstellung auf professionelle Videoproduktion erforderlich. Ein wichtiger Auftraggeber wurde die Stiftung für das sorbische Volk, die Initiativen sorbischer Filmschaffender aufgriff und konkrete Projekte zu fördern begann. Ein zweiter Schwerpunkt der Tätigkeit ist seit April 1992 das beim Fernsehen des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg installierte Magazinprogramm „£užyca – Sorbisches aus der Lausitz", das einmal im Monat in niedersorbischer Sprache gesendet wird (30 Min.).

Monothematische Filme waren seit 1990 historischen und folkloristischen Themen gewidmet, darunter die Auswanderung von Sorben nach Amerika und Australien im 19. Jahrhundert. Es ist ein Verdienst der Stiftung für sorbische Volk, dass weiterhin Streifen von Sorben für Sorben produziert werden, auch wenn die Anzahl nicht ausreichend ist. In diesem Zusammenhang muss die Herstellung einer zwölfteiligen Serie von Videos über die gesamte sorbische Geschichte für den Schulgebrauch hervorgehoben werden. Das SORABIA-FILM-STUDIO kann sich damit erstmals diesem Gegenstand widmen, der breite öffentliche Aufmerksamkeit hervorruft.

Als ein Podium des sorbischen Films wurden bereits 1978 in Bautzen Tage des sorbischen Films mit Beteiligung von Vertretern europäischer Volksgruppen ins Leben gerufen. Unterdessen findet dieses Festival alle zwei Jahre unter dem Motto „Filme kleiner Völker" statt.

 


 

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